77Lookup – Digitale Selbstverteidigung – Mündigkeit – Eigenverantwortung

Digitale Selbstverteidigung oder besser: Mehr Mündigkeit und Eigenverantwortung?

Eine Suche in einer beliebigen Suchmaschine nach dem Begriff „Digitale Selbstverteidigung“ führt sehr schnell zu der Erkenntnis, dass es für diesen sehr oft verwendeten Ausdruck wahrscheinlich eben so viele unterschiedliche Definitionen gibt. Vermutlich hat der Verein digitalcourage als Erster damit beschrieben, welchen Bedrohungen und Angriffen die Privatsphäre von Computernutzern ausgesetzt ist und wie sie sich dagegen wehren können. Eine weitere, sehr gute Beschreibung stellt Mike Kuketz in seinem Blog zur Verfügung.

Digitale Selbstverteidigung

Als Digitale Selbstverteidigung bezeichne ich Fähigkeiten und die Praktiken, die Menschen anwenden, um sich selbst und ihre Daten vor den Gefahren und Bedrohungen im digitalen Raum zu schützen.

Dazu gehört auch eine gewisse Bereitschaft, sich Hintergrundwissen anzueignen und – so banal das klingen mag – ein digitales Werkzeug kompetent bedienen zu können. Dies beginnt mit dem sicheren Hantieren von Mobilgeräten oder der Nutzung von Computermaus und Tastatur, einschließlich der Kenntnis der wichtigsten Tastaturkürzel.  Die sichere Anwendung der Standardfunktionen Markieren, Kopieren, Ausschneiden und Einfügen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, mit Texten, Bildern oder Dateien arbeiten oder sie verwalten zu können. Hinzu kommt die Fertigkeit im Umgang mit Bildschirmseiten auf Mobilgeräten und Fenstern der Benutzeroberflächen der gängigen Betriebssysteme für Laptop oder PC.

„Das Schreckgespenst“ schlechthin ist für viele Computernutzer weiterhin das Wissen um und der Umgang mit Datenträgern, Ordnern und Dateien, einschließlich der Regeln zu deren Benennung.

Aber, wir haben doch jetzt Cloud!

Das ändert aber doch überhaupt nichts daran, dass ich zu deren Nutzung – meistens geht es schließlich nur um Onlinespeichersysteme – letztlich mit Datenträgern, Ordnern und Dateien umgehen können muss. Wie sollen ansonsten ein Herunterladen, Hochladen, Entpacken oder eine Datensicherung – oder noch schlimmer: das Wiederherstellen von verloren gegangener Daten – kontrolliert von statten gehen können?

Immer wieder erlebe ich, dass auch vielen jungen Menschen der Unterschied zwischen einem WWW-Browser, einer Suchmaschine und einem Web-Index nicht klar ist. Ach so, das ist egal, weil Google eh‘ alles weiß? – Nein, Google weiß allenfalls zu viel über die Nutzer seiner Dienste!

Hinzukommen die Energie und ein gewisses Maß an Selbstdisziplin hinsichtlich der Verwendung sicherer Passwörter, der Nutzung von Passwortmanagern, der regelmäßige Aktualisierung von Software und Betriebssystemen, Vorsicht beim Umgang mit persönlichen Daten , das Erkennen von Phishing-Versuchen und anderen betrügerischen Aktivitäten sowie die Verwendung von Sicherheitssoftware.  Digitale Selbstverteidigung bedeutet auch, sich über Datenschutzrichtlinien und die Funktionsweise von Technologien und Plattformen zu informieren, um informierte Entscheidungen über deren Nutzung treffen zu können.

Aber kann man wirklich davon ausgehen, dass „wir“ uns nur gegen die Daten- und Werbewirtschaft, Großkonzerne, Geheimdienste – „die üblichen Verdächtigen“ als „die schwarzen Schafe“ – verteidigen müssen? Sollten wir uns nicht auch einmal darüber Gedanken machen, welche Mitschuld „wir“ eventuell am „Digitalen Raubrittertum“ (wie es Mike Kuketz in seinem Blog nennt) haben? Sollten wir neben unserem Gespür für das Erfordernis digitaler Selbstverteidigung nicht auch ein gewisses Maß an digitaler Mündigkeit ausüben und mehr Eigenverantwortung übernehmen? Das führt mich zu der nächsten kritischen Frage.

Digitale Mündigkeit

In Deutschland versteht man unter digitaler Mündigkeit zumeist die Fähigkeiten und Kompetenzen, die Bürger benötigen, um sich kritisch, souverän, verantwortungsvoll und konstruktiv in der digitalen Welt zu bewegen.

Digitale Mündigkeit umfasst somit auch das Verständnis der Funktionsweise von Technologie, das Bewusstsein für die Auswirkungen der eigenen Handlungen im digitalen Raum auf die Gesellschaft, die Fähigkeit, Quellen im Internet zu bewerten und Informationen kritisch zu hinterfragen.

Dazu gehört auch Fähigkeit, ethische und moralische Überlegungen in Bezug auf die Nutzung von Technologie anzustellen. Digitale Mündigkeit beinhaltet auch die Fähigkeit, sich selbst und andere vor Fehlinformationen, Hassrede und anderen schädlichen Inhalten online zu schützen, sowie die Fähigkeit, sich konstruktiv an digitalen Diskursen zu beteiligen und positive Veränderungen im digitalen Raum zu fördern.

Der Begriff wurde maßgeblich vom Verein digitalcourage e. V. geprägt.

Kernpunkte digitaler Mündigkeit

  • Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Urteilsfähigkeit im digitalen Raum
  • Kritischer und reflektierter Umgang mit digitalen Medien, Technologien und Inhalten
  • Bewusstsein für Risiken wie Datenschutz, Privatsphäre und Urheberrecht
  • Fähigkeit, digitale Technologien zu verstehen und zu beherrschen
  • Kompetenz zur Informationsbeschaffung, -bewertung und aktiven Teilhabe
  • Ethische Grundhaltung und Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen
  • Digitale Souveränität und Kontrolle über die eigenen Daten

Digitale Mündigkeit geht somit über reine technische Fertigkeiten hinaus und umfasst auch Aspekte der Medienkompetenz, Ethik und Persönlichkeitsbildung. Sie soll Bürger befähigen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig deren Risiken einzuschätzen.

Studien zeigen jedoch, dass gerade in Deutschland noch Defizite bei der digitalen Mündigkeit bestehen, insbesondere bei älteren Menschen, Geringverdienern oder Bevölkerungsgruppen, die eher technik- oder wissenschaftskritisch eingestellt sind.  Bildungsangebote und staatliche Initiativen sollen hier Abhilfe schaffen.

Die Frage muss daher nicht lauten: „Digitale Selbstverteidigung oder Digitale Mündigkeit?“. Mit Sicherheit ist beides erforderlich.

Ist das auch kostenlos? Sind wir die Käufer oder das Produkt?

Was ist eigentlich unsere Rolle in der derzeitigen digitalisierten Welt? Wer sind wir wirklich in diesem Austausch von Dienstleistungen und Daten? Eine altbekannte Erkenntnis aus dem Jahr 1973 (sie wird Andrew Lewis und Richard Serra zugeschrieben), lautet: „If you are not paying for it, you’re not the customer; you’re the product being sold“ – „Wenn Sie nicht dafür bezahlen, sind Sie nicht der Kunde, sondern das Produkt, das verkauft wird“.

Noch deutlicher wurde Jaron Lanier auf der CEBIT 2018, als er die Verherrlichung des Kostenlosen als „kranke Geschäftsmodelle“ brandmarkte. Seiner Meinung nach ist diese Haltung nicht nur dumm, sondern auch gefährlich und würdelos. Lanier rief dazu auf, den wahren Wert unserer persönlichen Daten anzuerkennen und die Preisgabe unserer Privatsphäre nicht leichtfertig hinzunehmen.

Einen ähnlich drastischen Vergleich zwischen kostenloser Datenlieferung und der Nutzung kommerzieller sozialer Netzwerke wurde von dem Ökonomen Dennis J. Snower, vormaliger Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), gezogen. Seiner Ansicht nach stellt die unentgeltliche Bereitstellung unserer Daten eine Art moderner Sklaverei dar, bei der wir unsere Privatsphäre und Autonomie opfern, ohne eine angemessene Gegenleistung zu erhalten.

Die Entwicklung, der Vertrieb und die Pflege von Apps erfordern Zeit, Personal und Technik. Ebenso verhält es sich mit dem Betrieb von Kommunikationsdiensten. Dies sind keine Leistungen des Staates, die wir bereits mit unseren Steuern bezahlt haben, sondern in der weit überwiegenden Zahl der Fälle Werke und Dienstleistungen von Privaten, Selbständigen oder Unternehmen. Wie in den meisten anderen Lebenslagen haben wir keinerlei Anspruch darauf, diese Leistungen kostenlos nutzen zu können.

Wenn wir Leistungen durch die Preisgabe unserer persönlichen Daten bezahlen, haben wir letztlich keinerlei Kontrolle darüber, wofür unsere Daten verwendet werden, ob der Wert unserer Daten der Dienstleistung überhaupt angemessen ist und vor allem, ob dies nicht zu unserem Nachteil geschieht.

Nicht ohne Grund sind wir in Deutschland bei zahlungspflichtigen Bestellungen extrem misstrauisch geworden, Das ist leider ein zweifelhaftes Verdienst von Teilen unserer Wirtschaft. Es gibt aber auch sehr faire Bezahlmodelle, z.B. Abonnements ohne Kündigungsfrist.

Viele technische Dienstleistungen sind trotzdem – auf seriösem Wege – kostenlos zu erlangen, weil

  • der Anbieter dies aus technischem Interesse oder uneigennützigen Motiven heraus tut,
  • es eine Gegenfinanzierung durch Geschäftskunden gibt (diese zahlen, private Nutzer nicht),
  • die Leistung über Spenden oder Mitarbeit finanziert wird (z.B. Wikipedia, OpenStreetMap, Mozilla, Wikimedia Commons, …)
  • es Werbeeinblendungen ohne gleichzeitige Ausforschung gibt.

Ein wirklich ernst gemeinter Spendenaufruf!

Nein, es geht nicht um diesen Blog. Alle Informationen stehen kostenlos, ohne kommerzielle Absichten und Werbung zur Verfügung. Sie können hierfür auch nicht spenden, es geht um etwas anderes. Die meisten der hier zur Nutzung vorgestellten Dienste und Apps bzw. Anwendungen werden von Privaten, technikinteressierten Menschen auf freiwilliger Basis und ohne kommerzielles Interesse entwickelt und betrieben. Man kann allerdings für diese Apps und Dienste spenden – eine Praxis, die in anderen Teilen der Welt durchaus weit verbreitet ist, sich in Deutschland aber leider keiner großen Beliebtheit erfreut. Wenn Sie die Webseiten der Anbieter von Apps und Diensten aufrufen, erhalten Sie hierzu Hinweise.

Quellen:
– digitalcourage – Digitale Mündigkeit
– Digitales Deutschland – Digitale Mündigkeit
– Goethe-Institut – Digitale Mündigkeit