US-Sanktionen blockieren Richter des Internationalen Strafgerichtshofes

Der Richter Nicolas Guillou am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wurde 2025 von den USA mit Finanz- und Technologiesanktionen belegt. Die Folgen reichen weit über klassische Kontensperrungen hinaus. Er wurde von zentralen, meist US-basierten Digitaldiensten ausgeschlossen. Dazu zählen insbesondere Amazon, Airbnb, PayPal sowie Reise- und Buchungsplattformen wie Expedia. Hotelbuchungen werden storniert, Kreditkarten (Visa, Mastercard, American Express) funktionieren nicht mehr, und internationale Zahlungen (vor allem mit US-Dollar-Bezug) werden blockiert oder gar nicht erst ausgeführt.

Guillou beschreibt seine Lage so, als sei er „praktisch vom digitalen Leben abgeklemmt“ und in seinem Alltag auf den Stand der 1990er-Jahre zurückgeworfen. Der Fall macht sichtbar, welche Macht digitale Plattformen und das US-geprägte Finanzsystem gegenüber Einzelpersonen entfalten können – selbst gegenüber einem Richter eines internationalen Gerichtshofs.

Worum es geht

Auslöser der Sanktionen sind Entscheidungen des IStGH im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Der Strafgerichtshof hatte Haftbefehle gegen hochrangige israelische Regierungsmitglieder beantragt. Die US-Regierung reagierte darauf, indem sie Nicolas Guillou und weitere Richter sowie Staatsanwälte des IStGH auf eine Sanktionsliste setzte, die ursprünglich für Terroristen und Schwerkriminelle geschaffen wurde.

Für alle Personen und Unternehmen der USA, einschließlich ihrer internationalen Tochterfirmen, gilt seitdem: Sie dürfen dem Richter keine Geschäfte oder Dienstleistungen anbieten. Verstöße können mit hohen Strafen nach US-Recht geahndet werden. In der Praxis führt dies dazu, dass viele Firmen weltweit aus Vorsicht jeden Kontakt vermeiden.

Digitale und finanzielle Folgen für den Richter

Die Sanktionen entfalten ihre besondere Wirkung, weil ein großer Teil der globalen digitalen und finanziellen Infrastruktur in US-Hand ist oder stark von den USA abhängt:

  • Schließung von Konten bei Amazon und PayPal; Online-Käufe und Geldtransfers sind darüber nicht mehr möglich.
  • Blockierte Nutzung von Plattformen wie Airbnb; selbst die Anmietung einer Unterkunft kann scheitern.
  • Stornierte Hotelbuchungen über Vermittler wie Expedia, sobald Name und Zahlungsdaten geprüft werden.
  • Eingeschränkter Zugang zu Kreditkarten, da große Kartennetzwerke US-Unternehmen sind und ihre Systeme entsprechend auf die Sanktionslisten reagieren.
  • Probleme im internationalen Zahlungsverkehr, insbesondere wenn Transaktionen über US-Banken laufen oder in US-Dollar abgewickelt werden.

Nicht nur der private Alltag ist somit betroffen, auch berufliche Reisen, Unterkünfte und Zahlungen werden massiv erschwert.

Reaktionen von IStGH, EU und Fachöffentlichkeit

Richter Guillou kritisiert, dass die Sanktionen nicht nur ihn persönlich treffen, sondern ganz grundsätzlich die Unabhängigkeit der internationalen Justiz infrage stellen. Er ruft die Europäische Union dazu auf, ihre sogenannte Blocking-Verordnung konsequent anzuwenden. Diese könnte europäischen Unternehmen verbieten, bestimmte US-Sanktionen in der EU umzusetzen, und ihnen bei Zuwiderhandlung rechtliche Konsequenzen auferlegen.

Zugleich wird der Fall von Juristen und IT-Fachleuten als Lehrbeispiel für die digitale Abhängigkeit Europas interpretiert: Ein einzelner US-Sanktionsakt reicht aus, um einen europäischen Amtsträger weitgehend aus der global vernetzten Digital- und Finanzwelt herauszulösen,  weil zentrale Infrastrukturen (Cloud, Bezahlsysteme, Plattformen) von wenigen US-Konzernen kontrolliert werden.

Der Internationale Strafgerichtshof selbst reagiert, indem er seine technische Infrastruktur überprüft und schrittweise von US-Diensten auf stärker europäisch geprägte Lösungen umstellt, um sich besser gegen politische Druckversuche über Technik und Cloud-Dienste zu schützen.

Was der Fall für digitale Souveränität bedeutet

Der Fall von Nicolas Guillou ist mehr als eine persönliche Tragödie. Er verdeutlicht, welche Macht politische Entscheidungen in den USA über das Leben von Menschen in Europa haben, wenn diese von digitalen und finanziellen Infrastrukturen aus den USA abhängig sind, wie  US-Recht auch außerhalb des Landes, bis in den Alltag eines französischen Richters in Den Haag, wirkt und wie lückenhaft der europäische Schutz gegen solche Maßnahmen bislang ist, obwohl es mit der Blocking-Verordnung rechtliche Instrumente gäbe,

Digitale Souveränität, d. h., alternative Bezahlsysteme, europäische Cloud-Angebote und unabhängige Office-Umgebungen dürfen nicht länger abstrakt geführt werden. Sie haben zu oft ganz reale Folgen, sowohl  für Einzelne, als auch für die Rechtsstaatlichkeit. Digitale Dienste sind nie „neutral“. Sie funktionieren nur innerhalb eines Geflechts aus Rechtsordnungen, ökonomischen Interessen und politischer Macht und und können im Konfliktfall sehr schnell zur Waffe werden.

Quellen:

  • Heise online: „Wie ein französischer Richter von den USA digital abgeklemmt wurde“
  • Golem.de: „Internationaler Strafgerichtshof: Amazon und Paypal blockieren Richter in Europa“
  • Sueddeutsche Zeitung (dpa-Bericht): „US-Sanktionen gegen Richter von Strafgerichtshof verhängt“
  • Le Monde (FR): „Nicolas Guillou, juge français de la CPI sanctionné par les États-Unis…“