Lizenzmodelle und Kosten
Gegen die Macht der Digitalkonzerne – Alternative Software und Dienste – Teil 1
Ist das auch kostenlos?
Wenn Sie nichts dafür bezahlen, sind Sie nicht der Kunde, sondern das Produkt, das verkauft wird.
Dieses Zitat wird dem US-amerikanischen Künstler Richard Serra zugeschrieben, der im Jahr 1973 damit verdeutlichen wollte, dass im Zusammenhang mit werbefinanzierten Medien die Zuschauer von TV-Sendungen nicht die eigentlichen Kunden, sondern das Produkt sind, das an die Werbetreibenden verkauft wird. Er wollte damals, lange bevor das Internet in der Öffentlichkeit bekannt und das World Wide Web erfunden war, die manipulativen und kommerziellen Aspekte der Massenmedien zu kritisieren.
Die bis dahin weltweit größte Computermesse Cebit begann 2018 mit einem „Paukenschlag“. Einer der Eröffnungsredner, Jaron Lanier, sprach mit Blick auf das Gebaren der großen, bekannten IT-Unternehmen von „kranken Geschäftsmodellen“ und meinte damit unter anderem hinsichtlich der „Glorifizierung des Kostenlosen“, dies sei …
„… dumm, gefährlich und würdelos!“
Werbung an sich sei dabei nicht das Problem, sondern das Sammeln von persönliche Daten, um damit auf die Kunden persönlich zugeschnitten zu werben, was letztlich nichts anderes als gezielte Manipulation sei. Ich eigne mir seine Wortwahl nicht an, meine aber, dass er in der Sache Recht hat.
Warum ‚kostenlos‘ oft einen Preis hat
Die Entwicklung, der Vertrieb und die Pflege von Apps erfordern Zeit, Personal und Technik. Ebenso verhält es sich mit dem Betrieb von Kommunikationsdiensten. Dies sind in der Regel keine Leistungen des Staates, die wir bereits mit unseren Steuern bezahlt haben, sondern in der weit überwiegenden Zahl der Fälle Werke und Dienstleistungen von Privaten, Selbständigen oder Unternehmen.
Wie in den meisten anderen Lebenslagen haben wir keinerlei Anspruch darauf, diese Leistungen kostenlos nutzen zu können. Viele technische Dienstleistungen sind trotzdem – auf seriösem Wege – kostenlos zu erlangen, zum Beispiel weil
- dies im Rahmen der Daseinsvorsorge von Staat und beauftragten Einrichtungen angeboten wird,
- der Anbieter dies aus technischem Interesse oder uneigennützigen Motiven heraus macht,
- es eine Gegenfinanzierung durch Geschäftskunden gibt (diese zahlen, private Nutzer nicht),
- die Leistung über Spenden oder Mitarbeit finanziert wird (z.B. Wikipedia, OpenStreetMap, Mozilla, Wikimedia Commons, …),
- es Werbeeinblendungen ohne gleichzeitige Ausforschung gibt.
Wir bezahlen jedoch in zu vielen Fällen mit der Preisgabe unserer persönlichen Daten – zu einem letztlich viel zu hohen Preis. Wir haben letztlich keinerlei Kontrolle darüber, wofür unsere Daten verwendet werden, ob der Wert unserer Daten der Dienstleistung überhaupt angemessen ist und vor allem, ob dies nicht zu unserem Nachteil geschieht.
Fairness zahlt sich für alle aus
Das Bezahlen einer Leistung mit Geld zu einem angemessenem Preis bietet auch in der digitalisierten Welt immer noch das höchste Maß an Fairness und Transparenz. Nicht ohne Grund sind wir bei zahlungspflichtigen Bestellungen extrem misstrauisch geworden – ein zweifelhafter Verdienst von Teilen unserer Wirtschaft. Es gibt aber – und man muss leider sagen: vor allem außerhalb unseres Landes – sehr faire Bezahlmodelle, z.B. Abonnements teils ohne oder mit sehr kurzer Kündigungsfrist.
Sofern auf diesen Seiten kostenpflichtige Dienste erwähnt werden, handelt es sich um solche, die teilweise bereits ab 1 € / Monat zu sehr fairen Bedingungen zu buchen sind. Bezahlversionen von erwähnten Apps kosten nur wenig Geld, das bei privater Nutzung oft nur einmal bezahlt werden muss. Häufig können Anwendungen auf mehreren Geräten, unter Umständen auch gemeinsam mit Partnerinnen/Partnern oder Angehörigen der Familie gleichzeitig installiert und genutzt werden.
Die meisten der hier zur Nutzung vorgestellten Dienste und Apps werden von technikinteressierten Menschen auf freiwilliger Basis und ohne kommerzielles Interesse entwickelt und betrieben. Vielen Nutzern dieser Leistungen ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass man für die Apps und Dienste auch spenden kann – eine Praxis, die in anderen Teilen der Welt durchaus weit verbreitet ist, sich in Deutschland aber leider keiner großen Beliebtheit erfreut. Wenn Sie die Webseiten der Anbieter von Apps und Diensten aufrufen, erhalten Sie hierzu Hinweise.
Proprietäre und alternative Systeme
Proprietäre Systeme sind Softwaresysteme oder Technologien, deren Programmcode, Design und Nutzung durch den Eigentümer, in der Regel ein Unternehmen, streng kontrolliert und geschützt werden. Nutzer müssen oft Lizenzen erwerben und dürfen die Software nicht modifizieren, kopieren oder weiterverteilen. Diese Systeme sind häufig nicht interoperabel mit anderen Softwarelösungen und erfordern zuweilen spezifische Hardware oder Betriebssysteme. Die Entwicklung und die Wartung erfolgen ausschließlich durch den Eigentümer oder autorisierte Partner. Proprietäre Systeme stehen im Gegensatz zu Open-Source-Systemen, die frei zugänglich und modifizierbar sind.
Alternativer Software und Diensten haftet zuweilen eine rebellische Aura an („Robin Hood im digitalen Zeitalter?“). Dies ist jedoch weder dem Aufwand und der Ernsthaftigkeit, mit der die Entwickler dieser Anwendungen arbeiten, noch denen, die mit diesen Lösungen ihrem Broterwerb nachgehen wollen, angemessen. Hier geht es auch nicht um eine pauschale Verurteilung der Systeme von Großkonzernen.
Zumal von diesen oft durchaus nützliche, „unbedenkliche“ Software oder Dienste kostenlos oder als Open-Source-Software zur Verfügung gestellt. Beispiele hierfür sind die Microsoft PowerToys oder „Chromium„, der von Google entwickelte und als Open-Source-Projekt freigegebene „Kern“ für Webbrowser.
Genauer sind natürlich nur scheinbar „günstige“ Angebote oder besondere Aktionen der Großkonzerne zu betrachten, mit denen letztlich doch nur eigene Interessen verfolgt werden, wie Werbung, Steuervergünstigungen oder Einflussnahmen auf politische Entscheidungen. Trotzdem sollten einige der nachfolgend teils „negativ“ beurteilten Merkmale von herstellerspezifischen (proprietären, „nicht freien“) technischen Lösungen nicht als das Bild durchweg prägende Eigenschaften, sondern eher als Gefahr oder genauer zu prüfende Merkmale verstanden werden.
Proprietäre Systeme
Alternative Systeme
- Häufig „all-in-one“-Versprechen
- Einheitliche Benutzeroberfläche*
- Datenaustausch ohne Konvertierung*
- Zusammenwirken von Funktionen über App-Grenzen*
- Nachhaltigkeit (lange Verfügbarkeit, Updates)*
- Kleinerer Funktionsumfang – Einsatz mehrerer Apps erforderlich
- Datenaustausch und Zusammenwirken mit anderen Apps oft nur durch Konvertierung
- Geringere Nachhaltigkeit bei privaten Entwicklern*
- Erfordert meistens „einen Schritt mehr“ zu gehen
- „all-in-one“-Ansatz selten komplett umgesetzt
- Bindung an Hersteller durch teils gewollte Inkompatibilität*
- Zuweilen Täuschung durch manipulatives Design (Dark Pattern, Framing, Nudging, …* ; Erläuterung siehe Glossar)
- Investitionsrisiko bei fehlender Nachhaltigkeit
- kein Anlass für manipulatives Design, da geringes oder kein kommerzielles Interesse
- Weniger Bindung an Hersteller durch Vielfalt an Alternativen
- Weniger / kein Investitionsrisiko durch kompatible Datenformate* (aber zuweilen unbequemer)
„all-in-one“ = „alles aus einer Hand“ – * = zuweilen / nicht pauschal
Die wichtigsten Lizenz-Modelle
Eine ausführliche Darstellung erhalten Sie hier (öffnet sich in einem weiteren Browser-Tab). Nachfolgend werden nur die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Vermeiden Sie rechtliche Auseinandersetzungen, Forderungen von Schadenersatz u. ä., indem Sie sich genau an die vom Herausgeber einer Software oder Betreiber eines Dienstes festgelegten Nutzungsbestimmungen halten. Lizenzierungen hängen oft von der Art der Nutzung ab. Es kann z. B. durchaus sein, dass eine Lizenz nur die rein persönliche Nutzung erlaubt und auch ein Einsatz für nicht kommerzielle Zwecke bereits eine besondere Lizenzierung erfordert.
Entscheidend für die Art der Lizenzierung ist die eventuell sehr detaillierte und von der Art der Nutzung abhängige Regelung durch den Rechteinhaber, nicht jedoch eine eventuell nur informelle Einstufung, z. B. als Open Source, Freeware oder ähnlichem.
Open Source
„Open Source“ bezieht sich auf Software, deren Quellcode (von den Entwicklern entworfene Anweisungen in einer Programmiersprache in für Menschen lesbarer Form; Unterschied zum nur von der Hardware nutzbarer Maschinencode) öffentlich zugänglich ist.
Jede/Jeder, die/ der über das erforderliche Wissen verfügt, kann den Quellcode einsehen, modifizieren und weiterverbreiten. Bei Open Source-Software werden üblicherweise vier Freiheiten gewährt:
- Nutzung,
- Vervielfältigung,
- Veränderung und
- Weitergabe der Software
Open Source Software ist meistens, aber nicht automatisch kostenlos. Genaueres wird in den unterschiedlichen Open Source Lizenz-Modellen festgelegt. Entscheidend für die Art der Lizenzierung ist die Regelung durch die Rechteinhaber (Herausgeber, Entwickler, …)
Freeware
Freeware ist in der Regel kostenlos nutzbar. Die Entwickler definieren Rechte an der Software eigenständig, d.h., sie wählen kein bestimmtes Lizenz-Modell. Nutzer haben jedoch nur eingeschränkte Nutzungsrechte:
- Freeware darf in der Regel nicht modifiziert oder für kommerzielle Zwecke verwendet werden.
- Freeware kann Werbung, eingeschränkte Funktionen oder eine zeitlich begrenzte Nutzung beinhalten.
Im Gegensatz zu Open-Source-Software ist Quellcode von Freeware nicht offen und kann somit nicht von jeder/jedem eingesehen und gegebenenfalls verbessert werden. Entscheidend für die Art der Lizenzierung ist die Regelung durch die Rechteinhaber (Herausgeber, Entwickler, …)
Shareware
Shareware ist eine Vertriebsform für kommerzielle Software. Sie soll meistens Nutzern die Gelegenheit geben, eine Software vor dem Kauf ausprobieren und testen. Es gibt verschiedene Formen von Shareware-Angeboten, z. B.:
- Die Software hat zunächst eingeschränkte Funktionen, voller Funktionsumfang ist erst nach Bezahlung verfügbar.
- Die Software kann für einen begrenzten Zeitraum (oft 30 Tage) voll genutzt werden, danach muss sie gekauft werden.
- Die Software kann dauerhaft kostenlos genutzt werden, der Nutzer wird aber regelmäßig aufgefordert, eine Registrierungsgebühr zu zahlen.
Shareware kann in der Regel kostenlos aus dem Internet heruntergeladen und installiert werden. Entscheidend für die Art der Lizenzierung ist die Regelung durch die Rechteinhaber (Herausgeber, Entwickler, …)
Kostenlose Software ist nicht frei von Problematik
Nicht nur beim Einsatz „freier Software“ sollte die vorgesehene Art der Nutzung genau mit der Lizenzierung abgeglichen werden. Lizenzierungsregeln betreffen auch Multimedia-Werke, wie Videos, Musikstücke oder Fotos, Bilder, Grafiken u. ä. Im Falle von Verstößen drohen bisweilen horrende Schadensersatzforderungen.
Den Entwicklern und Betreibern von „freier“ Software oder Diensten muss deren unentgeltlicher Einsatz natürlich hoch angerechnet werden. Und genauso wohlwollend sollte akzeptiert werden, dass diese Menschen eventuell einmal aus persönlichen, gesundheitlichen, familiären oder beruflichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihre Software weiter zu pflegen, d.h., mit Updates zu versorgen oder ihre Dienste zu betreiben.
Dies betrifft im Übrigen auch nicht nur die Entwickler und Betreiber freier Software und Dienste, sondern auch kommerzielle Angebote. Wenn sich die Weiterentwicklung oder der Betrieb eines Produkts wirtschaftlich nicht mehr lohnt, bleiben Pflege und Betrieb nur zu oft auf der Strecke.
Den Fehler begehen letztlich diejenigen, die „freie“ Software und Dienste bedenkenlos ohne regelmäßige Kontrolle einsetzen, obwohl es bislang schon genügend Fälle gegeben hat, in denen jahrelang nicht geschlossene Sicherheitslücken beinahe zu einem „Super-GAU“ für viele Serversysteme hätten führen können. Beispiele hierfür sind „Log4Shell“ und „heartbleed„.
Zu welch massiven Problemen bereits kleine Fehler in schlecht gewarteter Software führen können, erlebte die Welt am 19.07.2024. Ein fehlerhaftes Update der Sicherheitssoftware CrowdStrike Falcon führte weltweit zu erheblichen Ausfällen zahlreicher Windows-Rechner. Der Vorfall beeinträchtigte diverse kritische Infrastrukturen, darunter Fluggesellschaften, Banken und Einzelhandelsunternehmen. Betroffene Systeme stürzten ab und ließen sich anschließend nicht wieder starten. Egal, ob es sich wie im Falle der CrowdStrike-Falcon-Software um ein kommerzielles Produkt oder um eine OpenSource-Lösung handelt: Die Ursache der fehlenden Qualität liegt nicht im Lizenzmodell. Es fehlt vielmehr die Herstellerhaftung für IT-Lösungen. Auch und vor allem IT-Großunternehmen sollten für die Folgen von Sicherheitsmängeln haftbar gemacht werden. Dies würde die Hersteller dazu zwingen, substanzielle Investitionen in die Qualitätssicherung ihrer Produkte zu tätigen, um solche Zwischenfälle zu vermeiden. Einen Beitrag zum Crowdstrike-Vorfall finden Sie hier im Blog sowie bei Wikipedia.